30.6.06

Weichgekocht

OK, ich gebe auf. Die allgegenwärtige WM-Hysterie hat auch mich als Fußballdesinteressierteste weichgekocht: Ich werde mir heute das Spiel Deutschland - Argentinien ansehen. Nicht gerade, da ich wirklich das Fußballspiel sehen möchte (auch wenn ein Spiel noch so spannend/lustig/anspruchsvoll/sportiv/wasauchimmer ist: Mir fallen immer mindestens 9 Sachen ein, die ich in der Zeit reizvoller fände zu tun und dann meistens auch tue...), sondern eher aufgrund des "doing social": Würde ich das Spiel nicht sehen, würde ich vielleicht Gefahr laufen, den totalen Einsamkeitskoller zu kriegen: Ganz Berlin klebt vor irgendwelchen Bildschirmen oder Leinwänden, alle feiern zusammen, NIEMAND auf den Straßen...Sooo misantroph bin ich ja nun auch nicht. Außerdem bin ich zum Gucken bei Freunden eingeladen - finde ich beruhigender und entspannter, als mich mit 250 000 anderen Menschen vor eine öffentliche Leinwand zu stellen oder zwischen einer Million partywütigen Leuten auf der sog. Fanmeile eingequetscht zu sein. Und last but not least: Meine Freundin C und ihre elfjährige Tochter sind vor einer Woche nach Berlin gekommen und wohnen gerade bei mir. Sie kommen aus Argentinien. Sie sind wahre Fußballfans und -kennerinnen. Sie wollen das Spiel sehen, natürlich. Irgendjemand sollte bei ihnen sein, für alle Fälle. So oder so.

27.6.06

Wandern in Italien

Über's (verlängerte) Wochenende war ich in Italien, beim Belgier. Nachdem es letztes Mal ja ans Meer ging, fuhren wir diesmal für anderthalb Tage in die Berge zum Wandern.


Die "Alpi Apuane" liegen etwas nördlich von Pisa, sind für ihren Marmor berühmt und ansonsten meines Eindrucks nach nicht sehr überlaufen - bei unserer Wanderung ist uns NIEMAND begegnet, nur in der Berghütte, bei der wir am nächsten Morgen auf einen Caffé stoppten, trafen wir auf eine österreichische Wandergruppe.
Wir selber nächtigten im Zelt:
Ich habe brav meine Thermarestmatte mit nach Italien gebracht, aber der belgische Freund meinte, die bräuchte ich nicht mitzuschleppen, er hätte eine Unterlage für zwei. Und zu viel Wasser bräuchten wir auch nicht den Berg mit herauf zu schleifen, schließlich kämen wir ja an besagter Hütte vorbei und überhaupt reichen 2 Flaschen (die ich auf 3 erweitern durfte, immerhin). Der Aufstieg war lang und heiß, wir schwitzten viel, stürmten an der Hütte - berauscht vom Ausblick auf den Gipfel oder einfach nur malle von der Hitze und dem Aufstieg - vorbei und stoppten erst am von meinem persönlichen Bergführer als Schlafplatz auserkorenen Fleck kurz vorm Gipfel. Der Fleck war - im Gegensatz zum Rest der Umgebung - schön ebenerdig, weshalb das anscheinend auch der Hubschrauber-Notfall-Landeplatz für die Gegend ist - weithin sichtbar mit einem großen aus Steinen gelegten "H" gekennzeichnet.

Ich hatte jedenfalls, nachdem wir ohne Rucksäcke noch fast bis zum Gipfel herauf gekraxelt sind, einen Mörderdurst, und 2 Flaschen waren bereits leer. Der Belgier rief aufgrund des drohenden Wassermangels Rationierung aus - der verbleibende Liter müsse auf jeden Fall noch bis zum Morgen reichen. Na bravo: Soll ich hier verdursten oder was? Zurück bei unserer Basis-Station kramte er dann das Abendessen hervor: Linsen mit Speck. Herrje - Geht's nicht noch salziger und durstmachender?!? Auf mein dementsprechendes Nölen und Wehklagen ("Jaja - ICH wollte ja mehr Wasser mitnehmen! Ich höre nie wieder auf Dich!" Usw usw) holte er nur stolz die Weinflasche die wir mitnahmen, ein Geschenk einer Freundin an ihn, aus dem Rucksack (Irgendwie hatten wir zu Hause die Vision von einer lauen Sommernacht auf einer blumenübersäten duftenden Bergwiese, da wanderte der Wein automatisch in den Rucksack...). Der Wein entpuppte sich als ein 1999er Bordeaux, kein "echter" Saint Emilion, aber closed by. Gläser haben wir natürlich vergessen mitzunehmen. So kam es also, dass wir bei atemberaubender Aussicht auf die hinter den Bergen langsam abtauchende Sonne ganz wie Terence Hill und Bud Spencer Linsen mit Speck aus der Pfanne löffelten und dazu zum Durstlöschen einen übertemperierten undekantierten 7 Jahre alten Bordeaux direkt aus der Flasche tranken. (Simon Fenner wäre wahrscheinlich lieber vor offener Flasche verdurstet als den Wein so zu schänden;-))
Dass wir beide in der Nacht kaum ein Auge zugetan haben wegen der dünnen Decke, die wir als Unterlage für den steinharten (im wahrsten Sinne des Wortes) Boden hatten, erwähne ich lieber nur kurz - beim ersten Tageslicht erklärten wir beide erleichtert die Nacht für beendet und ich verkündete abermals, nie wieder auf den belgischen Bergexperten zu hören. Außerdem haben wir uns zwischendurch ausgemalt, wie das wohl ankäme, wenn morgens aufgrund eines Notfalles ein Helikopter den Landeplatz ansteuert und dort quasi mitten auf seinem helikopter-H ein Zelt steht: Wir haben Tränen gelacht, trotzdem aber lieber gleich nach dem Aufstehen unser Lager geräumt...

19.6.06

Vorhin in der U-Bahn

Auf dem Weg nach Hause stiegen vorhin am Alexanderplatz 2 eher zwielichtig aussehende Typen ein, die dann aber für die Milieuforscherinnen um sie herum eine wahre Freude waren: Beide mit einer Bierflasche in der Hand, der Geruch von "dieser-Körper-sah-seit-mindestens-einer-Woche-kein-Wasser-und-keine-Seife" umwaberte sie. Spackelige olle Turnschuhe, speckige Jeans bzw. schwarze Schlabbershorts, grau-verwaschenes T-Shirt oder seltsames undefinierbares Jackenhemdpulliteil, selbstverstoppelt aussehende "frisur", tumbe Gesichter, rotgeränderte tiefliegende Augen, Tätowierungen all over, Zigarette klemmte hinterm Ohr....
Ihr Unterhaltung switchte zwischen polnisch und deutsch hin und her, klang alles eher laut und grob und schlicht und nach viel "Alter!". Dann Auftritt "Motz"-Verkäufer: Wirrer Typ in rotem Glitzermantel, schwarzem Zylinder und gelben Plastikblumen dran, Spacesonnenbrille, Ringelhose, irrer Blick - das Übliche halt. Alle im Waggon verdrehen die Augen oder starren angestrengt nirgendwo hin, Einer der beiden Typen springt auf, kramt kramt kramt in seiner Hosentasche:" Hier, wenn Dir 34 Cent weiterhelfen..." Er gab ihm als einziger was. Der andere machte irgendeinen abfälligen Kommentar dazu, den ich nicht verstand, aber der Geldspender antwortete nur: "Wieso, ist doch in Ordnung, lass ihn doch. Andere machen ihr Geld mit Fahrscheinen. Der hat gleich die letzte verkauft, denn kann er sich n schönen Abend machen." Woraufhin der andere ausversehen erstmal die Bierpulle auf der Erde umstößt und sich eine kleine Bierpfütze zwischen den Bänken verläuft. Nummer Eins wieder: "Ey Alter!!! Ey pass doch auf" Du Pollack! Nimm'n Taschentuch und wisch weg! Los, wisch das weg!!" Nummer Zwei muss kleinlaut gestehen, dass er kein Taschentuch dabei hat und verkrümelt sich schon mal Richtung Ausgang. Der erste wischt wenigstens die Bierflasche an seinem T-Shirt ab und verlässt, seinen polnischen Kumpel wüst als "Pollack" beschimpfend, zusammen mit ihm die Bahn.
Was sagt uns das? Weiß ich auch nicht, aber ich fand's irgendwie erzählenswert.

9.6.06

Oleee, ole ole oleeee

Ok, ich hab's versucht: Heute hat die WM angefangen (ach was.), was seit gestern von plötzlich an allen möglichen und unmöglichen Ecken und Gegenständen baumelnden Deutschlandfahnen schwarzrotgold untermalt wird. Die Dinger scheinen zumindest hier in Berlin von jetzt auf gleich überall herausgeploppt zu sein, vorgestern waren diese ganzen Wimpel und Fahnen zumindest noch nicht da. Ich bin gestern morgen an einem orangenen BVG-Straßen-kanal-oder-sonstwas-Reinigungsfahrzeug vorbeigeradelt, an dem vorne 2 Deutschlandfahnen hingen und der Fahrer ein Kopftuch trug, auf dem vorne fett "Deutschland" prangte...Ich weiß nicht, ich weiß nicht...
Egal, jedenfalls habe ich heute brav und willig dem Abendpflichtprogramm meiner FreundInnen zugestimmt und bin Fußball gucken gegangen. Soweit zumindest der Plan, denn als wir vor'm Pfefferberg standen, um dort das Eröffnungsspiel zu sehen, kamen wir nicht mehr rein - außer uns hatten geschätzte 1500 andere Leute die gleiche location dafür erkoren. Stattdessen also Fußball gucken vor einer gruseligen Cocktailbar etwas weiter, mit ebenso gruseligem Publikum, statt unter alten Bäumen mit lauter netten, gutaussehenden, intelligenten, sozial kompetenten Menschen. Das Spiel als solches: Leute, es tut mir ja wirklich leid, aber Fußball langweilt mich einfach gnadenlos. Ich hab's wirklich versucht, aber es interessiert mich einfach ü-ber-haupt nicht. Das 2. Spiel - Ecuador gegen Polen - dann im Pfefferberg geguckt - ich wollte dem Ganzen auch noch eine zweite Chance geben. Die Bierbänke neben unserer besetzt mit 7 dicken Westfalen im Fußballtrikot, vor ihnen ein Turm leerer Bierbecher, vor jedem stets 2 volle Bierbecher und mindestens 2 von ihnen grölten die ganze Zeit Lieder über Ruhrgebietsfußballmannschaften (= gut!), Arminia Bielefeld (= scheiße), Fußball-Landesligen (= offenbar nicht im Hier und Jetzt angekommen) oder Manchester United. Toll, genauso hatte ich mir das vorgestellt. Das Spiel: nachdem ich ab den ersten 10 Minuten der 2. Halbzeit aus dem Gähnen gar nicht mehr herauskam, bin ich gegangen...Hat keinen Zweck, ich und der Fußball...