19.6.06

Vorhin in der U-Bahn

Auf dem Weg nach Hause stiegen vorhin am Alexanderplatz 2 eher zwielichtig aussehende Typen ein, die dann aber für die Milieuforscherinnen um sie herum eine wahre Freude waren: Beide mit einer Bierflasche in der Hand, der Geruch von "dieser-Körper-sah-seit-mindestens-einer-Woche-kein-Wasser-und-keine-Seife" umwaberte sie. Spackelige olle Turnschuhe, speckige Jeans bzw. schwarze Schlabbershorts, grau-verwaschenes T-Shirt oder seltsames undefinierbares Jackenhemdpulliteil, selbstverstoppelt aussehende "frisur", tumbe Gesichter, rotgeränderte tiefliegende Augen, Tätowierungen all over, Zigarette klemmte hinterm Ohr....
Ihr Unterhaltung switchte zwischen polnisch und deutsch hin und her, klang alles eher laut und grob und schlicht und nach viel "Alter!". Dann Auftritt "Motz"-Verkäufer: Wirrer Typ in rotem Glitzermantel, schwarzem Zylinder und gelben Plastikblumen dran, Spacesonnenbrille, Ringelhose, irrer Blick - das Übliche halt. Alle im Waggon verdrehen die Augen oder starren angestrengt nirgendwo hin, Einer der beiden Typen springt auf, kramt kramt kramt in seiner Hosentasche:" Hier, wenn Dir 34 Cent weiterhelfen..." Er gab ihm als einziger was. Der andere machte irgendeinen abfälligen Kommentar dazu, den ich nicht verstand, aber der Geldspender antwortete nur: "Wieso, ist doch in Ordnung, lass ihn doch. Andere machen ihr Geld mit Fahrscheinen. Der hat gleich die letzte verkauft, denn kann er sich n schönen Abend machen." Woraufhin der andere ausversehen erstmal die Bierpulle auf der Erde umstößt und sich eine kleine Bierpfütze zwischen den Bänken verläuft. Nummer Eins wieder: "Ey Alter!!! Ey pass doch auf" Du Pollack! Nimm'n Taschentuch und wisch weg! Los, wisch das weg!!" Nummer Zwei muss kleinlaut gestehen, dass er kein Taschentuch dabei hat und verkrümelt sich schon mal Richtung Ausgang. Der erste wischt wenigstens die Bierflasche an seinem T-Shirt ab und verlässt, seinen polnischen Kumpel wüst als "Pollack" beschimpfend, zusammen mit ihm die Bahn.
Was sagt uns das? Weiß ich auch nicht, aber ich fand's irgendwie erzählenswert.

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Ich habe mal miterlebt wie morgens um 7:00 Uhr in einer Berlin SBahn fünf Bauarbeiter auf dem Weg zur Arbeit Konversation gemacht haben.

Einer von Ihnen gab dabei zu erkennen er würde bei der bevorstehenden Bundestagswahl nicht wählen gehen. Da kippte die Stimmung und die anderen vier machten ihm bis an die Grenze zur Handgreiflichkeit klar, dass das ja wohl gar nicht ginge "wegen der ganzen Arschlöcher".

Besonders ein Volltätowierter redete ziemlich heftig auf ihn ein, wobei er sein Kernagument - "die ganzen Assis die scheiße wählen, Alta, geht nicht" - immer wieder variierte.

Schließlich fügte sich der Ausreißer mit einem wie es mir erschien einsichtsvollen "naja, mußte wohl machen, stimmt schon" in sein Wahlrecht.

Interessanterweise wurde die Frage WAS man denn wählen sollte völlig ausgeblendet. Vermutlich war den Beteiligten der Erhalt der Gruppe wichtiger als der Inhalt...also so ähnlich wie bei Christiansen.

6:47 AM  

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