Letzte Woche war ich für 3 Tage in Krakau, zu einer Fortbildung. Für mich nicht nur der erste Besuch in dieser Stadt, sondern überhaupt das erste Mal in Polen. Alleine Hin- und Rückfahrt waren schon die Reise wert: 11,5 Stunden mit dem Nachtzug. Auf beiden Fahrten hatte ich ein 4er-Liegewagenabteil für mich alleine, was mir aber keinerlei Vorteile bzgl. eines ruhigen Schlafs bescherte: Die Züge Richtung Osten scheinen immer ein lustiges Sammelsurium an Waggon in alle möglichen Städte zu sein. Unser Zug auf der Hinfahrt bestand aus Waggons nach Krakau, nach Kiev, nach Odessa und nach Warschau. Diese Waggons sind auch nicht unbedingt nach Enddestinationen gruppiert, sondern anscheinend nach Aspekten des interkulturellen Austauschs aneinander gekoppelt. So ist der Fortbildungsleiter, der ebenfalls in dem Nachtzug war, auf der Suche nach Bier von Krakau über Odessa wieder durch Krakau gelaufen und endlich in Kiev gelandet. Der Waggon Kiev schien bereits aus Paris zu kommen und war dementsprechend eher ein Campingwagen denn ein Nachtzugabteil - aber da gab's dann auch Bier...Diese ganzen Waggons wurden dann mitten in der Nacht (ich glaube in Warschau, und es war 4 Uhr morgens) auseinander gerupft, hin und her geschoben und mit anderen Waggons aneinander gekoppelt, jeweils mit viel Gequietsche und Geruckel und abruptem "Rums". Achja: Vorher gab's natürlich noch das Passkontrolle-Intermezzo hinter Frankfurt/Oder (was auf der Rückfahrt morgens um 5 stattfand, glllh...).
Von Krakau selber habe ich leider wenig gesehen, da Fortbildung statt Urlaub. Erste Eindrücke: Eine sehr schöne Stadt, mit einer beeindruckenden Burg, einem riesigen mittelalterlichen Marktplatz, viel jungen Leuten, einer sehr lebendigen Kneipen- und Kulturszene (mitten in der Woche bis morgens um 4 in einer Kneipe zu sitzen ist da zumindest kein Problem...), einer erstaunlichen Anzahl an vegetarischen bzw. veganen Restaurants oder Cafés (vielleicht die Reaktion auf die ansonsten eher fleisch- und fetthaltige Küche?)..Und diese "Baguettes" scheinen dort auch sehr angesagt zu sein:
Über das politische Klima in Polen bzw. dort vor Ort kann ich noch nicht so viel sagen, bzw. da bin ich mit sehr widersprüchlichen Eindrücken zurück gekommen: Die Stadt schien sehr offen, mit einer aktiven alternativen kulturellen Szene zu sein, die Teilnehmenden der Fortbildung kamen aus ganz Polen und sind alle in bildungspolitischen Feldern aktiv und machen spannende Sachen und Projekte. Wie ich aber vor Ort erzählt bekam, stand z.B. die Leiterin der Einrichtung, bei der wir waren, ganz oben auf der "Schwarzen Liste" einer rechtsradikalen Gruppe. Diese Liste war auf einer Internetseite zu finden, wo diverse polnische Personen mit Foto, Adresse und Tel.nr. aufgeführt waren, und eben mit der Aufforderung, sie platt zu machen. (Der polnische Journalisten, gegen den es vor einiger Zeit ein Attentat gab, stand z.B. auch auf dieser Liste, da er homosexuell ist...) Anscheinend ist die Webpage inzwischen gesperrt, was aber wohl lange gedauert hat, da es wohl nicht unbeding auf der Prioritätenliste der Regierung ganz oben an stand, um das mal dezent zu formulieren...