20.10.08

Lebenslanges Lernen II: Meck-Pom

Am Wochenende waren der belgische Freund und ich eingeladen auf einen Hof in Mecklenburg Vorpommern, genauer gesagt in der "Mecklenburgischen Schweiz". Der Hof lag in einem, naja, selbst "Dorf" wäre sehr euphemistisch ausgedrückt: Es gab insgesamt ca 8 Gebäude, wovon die Hälfte verlassen und halb eingefallen war. Der Rest - wie den unvermeidlichen Gutshof, den es dort mal gab - ist schon lange gänzlich verfallen oder abgerissen worden. So kommen dort heute noch 20 Einwohner(innen? Ich habe dort bis auf die Berlinerin, die uns eingeladen hat, nur Männer gesehen) auf ca 400 Schafe, die sich sehr malerisch auf den Wiesen drumherum gruppieren und von hier nach da grasen und ziehen und bläken...

Landschaftlich wunderschön: Sanfte Hügel, viel sehr urwüchsig aussehender Wald und Wiesen, jede Menge Tiere (allein die ganzen über unseren Köpfen gen Süden ziehenden Graugänse!) und Ruhe, Ruhe, Ruhe. Diese Ruhe ist sehr nett, sitzt man in der Küche oder dem Garten des Hofes und lässt den Blick über die Wiesen, Wälder und Schafe schweifen. Sobald man sich aber wieder etwas mehr Zivilisation nähert - z.B. dem nächsten Dorf mit EInkaufsmöglichkeit - wird's gruselig. So tot, so leer, so geisterstadtmäßig an so vielen Stellen. Der belgische Freund konnte es auch gar nicht fassen: so viel Platz und Leere und dann dieser Verfall und die offensichtliche wirtschaftliche Schwachheit dieser Region....
Ich habe dann versucht, ihm das mit der Treuhand nach der Wende zu erklären, wie das alles so kam wie es nun ist usw. Musst dabei beschämt feststellen, wie wenig genaues Wissen ich eigentlich über die damals abgelaufenen Prozesse (bzw. eher: die abgewickelte Übernahme des Ostens...) habe. Dringend nachlesen und -arbeiten.

4.10.08

Lebenslanges Lernen im Burgenland

"Die EU" mag bürokratisch, bürgerfern und kompliziert sein, aber sie finanziert tolle Programme, in deren Rahmen man wiederum neue Landschaften und Menschen in ganz Europa kennen lernen darf. So war ich letzte Woche für zwei Tage im Burgenland, in dessen Hauptstadt Eisenstadt. Ausser Wien und ein bisschen Wachau kenne ich ja nix von Österreich, also eine prima Gelegenheit. Das Burgenland ist rein touristisch gesehen auf jeden Fall eine Reise wert (O-Ton A.: "Burgenland?!? Da gibt es fant-tas-tische Rotweine, die ziehen Dir echt die Schuhe aus, ein Hammer! Und die süßen Weissweine erst!"): Weingegend, Neusiedler See, diverse Wellness-Thermaltempel und Ungarn und die Slowakei gleich um die Ecke.
Gleichzeitig ist es dort aber anscheinend so provinziell und zurück geblieben wie bei uns vor 40 Jahren (oder heute in einigen Ecken Nord-Ostdeutschlands...): 55% aller Frauen haben als höchsten Bildungsabschluss (INKLUSIVE Ausbildung) den Schulabschluss 9. Klasse vorzuweisen, 40% aller Ehen werden geschieden, Arbeitslosigkeit bei 20-30%, stock-konservative Rollenvorstellungen (Mann = Familienernährer und Alleinverdiener, Frau = MutterHausfrauzudoofzumalleineAutofahren). Bemerkenswert auch die Unfreundlichkeit der Bedienungen im Restaurant: Wir waren insgesamt 3x essen, in 3 verschiedenen Lokalitäten. Jedesmal wurden wir - eine Gruppe von 12 Personen, von denen die eine Hälfte kein deutsch sprach, aber gut englisch - von extremst sauertöpfisch dreinschauenden KellnerInnen bedient, die von unserer Gruppengröße und -vielfalt offensichtlich überfordert waren und uns wie Störenfriede behandelten: "Wie - sie wollen nachher alle eine Einzelrechnung?!? Na, das geht aber nicht, das ist viel zu aufwending, das legt ja den ganzen Betrieb (außer unserem waren 2 weitere Tische besetzt) lahm." Im anderen Restaurant war es nicht viel besser, dort warteten wir über eine Stunde, bis der Kellner die Rechnungen am Computer fehlerfrei eingegeben und an den Tisch gebracht hat. Gut war hingegen der Heurige - Familienbetrieb mit 2 fitten Töchtern als Bedienungen und zwar etwas enttäuschendem Welschriesling, aber gutem Zweigelt. Dabei auch gelernt: Federweisser heisst dort "Sturm".

Eisenstadt selber: Hübsch, klein, dominiert vom Esterhazy-Schloss - und von Haydn. Der lebte dort gute 20 Jahre und komponierte in dieser Zeit u.a. für den in das Lauten-ähnliche Instrument Baryton vernarrte Fürsten Nikolaus Esterhazy über 120 Baryton-Trios. Es gibt neben dem Haydn-Haus die Haydn-Gasse, das Haydn-Hotel, -denkmal, -Restaurant, Haydnpralinen und Haydnseife und eigentlich alles von Haydn. Dafür gibt's sonst nicht viel...

Das nächste Treffen im Dezember gibt's dann in Brno. War ich auch noch nie. Soll nen guten Weihnachtsmarkt haben...;-)