23.10.06

Multikulti-Overdose

Ende letzter Woche fand hier gleich bei mir um die Ecke der Worldmusic-Berlin/Brandenburg Wettbewerb statt: Von 107 Bands wurden im Vorfeld 25 ausgewählt, die dann an 3 Abenden nacheinander auftraten und um den Sieg des Multikultimusik-Spektakels sangen, spielten, klampften, schalmeiten und honk-tröteten. Wir sind am Samstag hingegangen und kamen so zu dem Spottpreis von 10 Euro in den Genuß von 8 Bands/Performances, die unterschiedlicher nicht sein konnten - die meisten von ihnen auf absolut professionellem Niveau. Ziemlich langweilig der Auftakt: Die Jazz-Arabic-Fusion-Band; Lauter Daddeldudel-Experten, die hochverkopften Orientalfunkjazz machten - schnarch, war da was? Gleich danach kamen allerdings die grandiosen "electric shepherds" bzw. "Transalpin" (Moderatorin und Band hatten auf der Bühne eine kurze Diskussion über den Bandnamen - welcher nun gilt, weiß ich nicht, zu konfus...): Ein Computernerd am iBook, 2 in Fell-Netzstrumpf-Zottel-Outfits gehüllte Sängerinnen, 1 Afrikaner an Perkussion und Rap, eine Alphornistin und Trompeterin, eine Akkordeonistin. Die Musik taumelte von bulgarischem Frauengesang mit Elektroloops und Aplhornuntermalung über Rap-Jodel-Eskapaden zu Technorhythmus-Hirtengesang-Trompetenfreestylesolo-Samba. Nachdem sich das tosende Publikum - irgendwie fühlten wir uns alle wie von einer Schafherde samt Hirten überrannt - wieder beruhigt hatte, gab's dann auch gleich anschließend zur Verdauung portugiesischen Fado - samt auf der Bühne drapiertem Bistrotisch, Kerze und Rotwein. Letzerem sprach jeder der Bandmitglieder, der/die gerade nicht musizierte, auch genüsslich zu - guter Trick. Nicht ganz verstanden habe ich, wieso der Typ an der Gitarre portugese plötzlich Obertongesang machte, egal, war trotzdem gut. Dann kam die "Wir-sind-obercool-und-wohnen-seit-den-80ern-in-Kreuzberg"-Bigband: ein Haufen egozentrisch-narzistischer Solisten, die alle gleichzeitig zeigen wollten, wie abgefuckt ausgeflippte Musik sie machen und extrem selbsverliebt ihre Instrumente betatschten: bähhh. Der Ausgleich dafür gleich danach: 5 (Ex?-)Musiker der Brandenburger Sinfoniker, die wohl die SChnauze voll davon hatten, immer nur bei den Werken französischer Impressionisten oder bei Mahler das gesamte Percussion-Sortiment bespielen zu dürfen: Furios-fabelhafte Improvisationen auf einem Riesen-Vibraphonmäßigem-Etwas, 2 Alphörnern (die scheinen gerade der letzte Schrei in der Worldmusikszene zu sein...), Kesselpauke, Gong, Glocken, Saxophon, Tschingderassa und Dingeling.
Nicht zum Aushalten war hingegen der tibetische Einsiedlermönch, den es von den tibetischen Hochebenen in eine Berliner Einkaufsstraße verschlagenn hat, wo er seit Jahr und Tag um Frieden in Tibet betet und singt. Irgendwie ist der arme Mann an 2 Gangstermusiker geraten, die ihn zu diesem Festival geschleppt haben (und dabei die Vorauswahljury geschmiert haben?!?) und auf der Bühne hemmungslos mit Computer und Saxophon herumdudelten, während er vor ihnen tibetische Gebetsgesänge - dabei meistens auf einem Bein von der einen Bühnenseite zur anderen hopsend - deklamierte. Uns war absolut nicht klar, ob das alles so sein sollte, ein Riesenunfall war, alle unter Drogen standen oder der Mönch Opfer einer Worldmusikmafia war; ich konnte auf jeden Fall kaum hingucken. Die restlichen Bands waren gut, aber nicht so spektakulär - und wer gewonnen hat, habe ich nicht mehr mitbekommen, wir sind um halb 2 nachts nach Auftritt der letzten Band (afrikanische Hüftschwung-Rumba-Musik) ermattet und mit glühenden Ohren nach Hause gewankt...